Wahl-Check: Fragen an die Politik aus der Werkstatt

Diese Wahl beschäftigt viele – auch die Beschäftigten der USE-Werkstatt. Wir haben einige von Ihnen gebeten, uns Ihre Fragen an die Politik zu nennen.
Die haben wir an Vertreter*innen von fünf Parteien weitergegeben. Alle fünf haben auf Einladung des Werkstattrates die USE im letzten Jahr besucht und kennen somit die USE und einige der Werkstattbeschäftigten.

Unsere Fragen:

  1. Wie schützen Sie uns (Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen), sichern unsere Existenz und unsere Arbeitsplätze?
  2. Wie fördern Sie die Eingliederung behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt?
  3. Warum erhalten Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen weniger Entgelt als andere Arbeitnehmer*innen? Und was tun Sie, um das Entgelt in Werkstätten für behinderte Menschen zu erhöhen?
  4. Was tun Sie, um die Anerkennung der Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen in der Gesellschaft zu erhöhen?

Die Antworten von Anika Klose (SPD), Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen), Jens Beeck (FDP), Wilfried Oellers (CDU) und Sören Pellmann (Die Linke) finden Sie hier.

Anika Klose, SPD-Bundestagsabgeordnete

  1. Wie schützen Sie uns (Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen), sichern unsere Existenz und unsere Arbeitsplätze?

Als SPD bekennen wir uns klar zu den Werkstätten für Menschen mit Behinderung als wichtigen Bestandteil der Verwirklichung des gleichen Rechts auf Arbeit für alle Menschen.

  1. Wie fördern Sie die Eingliederung behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt?

Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen ein echtes Wahlrecht haben, wo und wie sie arbeiten möchten. Dabei heißt die verstärkte Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausdrücklich nicht, dass die Werkstätten abgeschafft werden sollen.
In der vergangenen Legislatur haben wir uns in der Ampel dafür eingesetzt, dass der Übergang auf den 1. Arbeitsmarkt verstärkt gefördert wird. Mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes haben wir die Ausgleichabgabe verdoppelt, um den Druck auf Unternehmen, die sich bisher bei der Anstellung von Menschen mit Schwerbehinderung verweigern, zu erhöhen. Die Einnahmen über diese Abgabe werden zudem vollständig zur Unterstützung und Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung verwendet. Darüber hinaus haben wir die Genehmigungsverfahren in den Integrationsämtern erheblich beschleunigt, was auch zu Erleichterungen für die betroffenen Menschen geführt hat.

Diesen Weg wollen wir in der nächsten Legislatur intensiviert weitergehen, um für alle Menschen das freie Wahlrecht vollständig umsetzen zu können.

  1. Warum erhalten Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen weniger Entgelt als andere Arbeitnehmer*innen? Und was tun Sie, um das Entgelt in Werkstätten für behinderte Menschen zu erhöhen?

Bereits in der vergangenen Legislatur wurde von Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ein Aktionsplan in die Wege geleitet, um die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen weiterzuentwickeln. Neben der Erhöhung der Durchlässigkeit auf den 1. Arbeitsmarkt sowie der Verbesserung der individuellen Förderung für die Werkstattbeschäftigten wurde auch die Entlohnung thematisiert.

Dabei wurden verschiedene gangbare Konzepte vorgestellt, die alle zum Ziel haben, die Arbeit in den Werkstätten wertschätzender zu entlohnen. Wichtig muss dabei sein, dass es hinsichtlich der aktuell geltenden Regelung zur Rente für die Werkstattbeschäftigten keine Verschlechterung gibt. Durch das verfrühte Aus der Koalition konnte dieser Prozess nicht mehr beendet werden. In unserem Wahlprogramm haben wir festgehalten, diesen Prozess fortzusetzen und die Einkommenssituation von den Beschäftigten in den Werkstätten zu verbessern.

  1. Was tun Sie, um die Anerkennung der Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen in der Gesellschaft zu erhöhen?

Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen geht es aus meiner Sicht auch um Sichtbarkeit. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen gar nicht wissen, wie viele Produkte von Werkstattbeschäftigten gefertigt werden. Ich versuche, im Rahmen meiner Arbeit im stetigen Austausch mit den Werkstattbetrieben in meinem Wahlkreis zu bleiben und mithilfe von Social Media diese Besuche sowie die Arbeit sichtbar zu machen.

Gleichzeitig muss die aktuelle Einkommenssituation von den Werkstattbeschäftigten in der politischen Debatte breiter thematisiert werden. Das Ziel muss sein, den Handlungsbedarf deutlicher zu machen, um den Druck auf alle handelnden Akteur:innen zu erhöhen.“

Corinna Rüffer, MdB, Bündnis 90/Die Grünen

  1. Wie schützen Sie uns (Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen), sichern unsere Existenz und unsere Arbeitsplätze?

    Viele derjenigen, die heute in Werkstätten beschäftigt sind, hatten niemals eine echte Wahl, wo sie arbeiten wollen. Das wollen wir ändern. Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen und allen Menschen mit Behinderung zu einem echten Wahlrecht verhelfen. Sie sollen entscheiden, wo sie arbeiten möchten. Wir wollen hierfür eine schrittweise Umwandlung der Werkstätten zu Inklusionsbetrieben voranbringen, um auch den wichtigen Anforderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention endlich gerecht zu werden. Parallel wollen wir Selbstvertretungsstrukturen wie zum Beispiel die Schwerbehindertenvertretungen und die Werkstatträte stärken.2. Wie fördern Sie die Eingliederung behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt?

    Um einen inklusiven Arbeitsmarkt zu verwirklichen, müssen wir Inklusion als Fundament unserer Gesellschaft begreifen. Ein konsequent inklusiv gestaltetes Bildungssystem öffnet Türen, die bislang verschlossen waren. So durchbrechen wir die oft vorgezeichneten Wege, die von der Förderschule direkt in die Werkstatt führen, und ebnen stattdessen vielfältige Pfade zum allgemeinen Arbeitsmarkt – für eine Zukunft, in der Teilhabe keine Besonderheit, sondern selbstverständlich ist.3. Warum erhalten Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen weniger Entgelt als andere Arbeitnehmer*innen? Und was tun Sie, um das Entgelt in Werkstätten für behinderte Menschen zu erhöhen?

    Arbeit muss fair vergütet werden und die Entlohnung in Werkstätten ist alles andere als gerecht. Daran muss sich dringend etwas ändern. Das Problem ist, dass Beschäftigte in Werkstätten nicht als Arbeitnehmer*innen im engeren Sinne, sondern als Rehabilitand*innen gelten. Werkstätten haben eigentlich den Auftrag, diese auf einen Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Dieser Aufgabe können die Werkstätten aber nur sehr unzureichend nachkommen und bei weniger als einem Prozent der Werkstattbeschäftigten gelingt der Wechsel. Daher müssen wir einerseits die Rahmenbedingungen verbessern, um Beschäftigte in Werkstätten besser für den Allgemeinen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Andererseits können Werkstätten oder große Teile davon schrittweise so umgewandelt werden, dass die Beschäftigten dort auch als Arbeitnehmer*innen mit allen Rechten und Pflichten angestellt sind und entsprechend nach Mindestlohn vergütet werden.

    4. Was tun Sie, um die Anerkennung der Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen in der Gesellschaft zu erhöhen?

    Ganz wichtig ist, die Partizipation der Menschen mit Behinderung und ihrer Organisationen weiter zu fördern, zum Beispiel indem die Rolle der Werkstatträte gestärkt wird. Um die Anerkennung der Arbeit in Werkstätten innerhalb der Gesellschaft zu verbessern, ist eine Öffnung der Werkstätten eine gute Möglichkeit, so dass innerhalb von Werkstätten Menschen mit und ohne Behinderung auf Augenhöhe und gleichberechtigt zusammenarbeiten können.


Jens Beeck, MdB, FDP

  1. Wie schützen Sie uns (Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen), sichern unsere Existenz und unsere Arbeitsplätze?

Für Menschen mit Behinderungen ist Teilhabe an gesellschaftlichen Leben, am Arbeitsleben und auch an Bildung von großer Bedeutung. Nötig ist ein neuer Denkansatz für einen inklusiven Arbeitsmarkt, auf dem alle Menschen gleichermaßen teilhaben können. Das Budget für Arbeit ist ein zentrales Element, welches auch für Beschäftigte in Werkstätten nutzbar sein sollte. Wir fordern das weiterentwickelte Budget für Arbeit für Beschäftigte, die in der Werkstatt bleiben wollen. Zugleich sollen Inklusionsfirmen für mehr Menschen aus Werkstätten geöffnet werden.

Aufträge aus der Privatwirtschaft sorgen für Arbeit in den Werkstätten. Darum spreche ich mich dafür aus, dass Unternehmen auch weiterhin solche Aufträge auf die Ausgleichsabgabe anrechnen können. Die Anrechenbarkeit auf die Ausgleichsabgabe ist ein bewährtes Mittel, den Arbeitsmarkt inklusiv zu gestalten und dabei sowohl den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen als auch den Anforderungen der Wirtschaft gerecht zu werden.

  1. Wie fördern Sie die Eingliederung behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt?

Nötig ist ein neuer Denkansatz für den Arbeitsmarkt, auf dem alle Menschen mit oder ohne Behinderung teilhaben können. Insbesondere die Integration in das Arbeitsleben für Beschäftigte in Werkstätten durch die Budgets für Arbeit und Ausbildung sind wichtige Instrumente.

Uns als FDP ist es im Bereich der Rehabilitation besonders wichtig, im Falle von Krankheiten und drohender Behinderung die Arbeitnehmer und Fachkräfte wieder für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Eine eigenständige wirtschaftliche Sicherung der Arbeitnehmer und der Erhalt der Fachkräftestruktur in den Betrieben sind zwei Seiten einer Medaille. Die stufenweise Wiedereingliederung und das Betriebliche Eingliederungsmanagement sind Errungenschaften, die weiterentwickelt und verbindlicher gestaltet werden müssen.

In diesem Zusammenhang geht es nicht um einseitige Ansprüche gegen den Arbeitgeber, sondern um ein verbindlicheres Instrument, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu nutzen verpflichtet sein müssen.

  1. Warum erhalten Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen weniger Entgelt als andere Arbeitnehmer*innen?

Der Lohn, den Beschäftigte in Werkstätten derzeit erhalten, ist ein Netto-Lohn. Darauf fallen weder Lohnsteuern an noch müssen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Der Netto-Lohn steht den Beschäftigten in seiner Gänze zur freien Verfügung. Zudem müssen sie davon weder Mittagessen noch Fahrkosten zur Werkstatt zahlen. Außerdem gibt es weitere Vorteile wie die abschlagsfreie Rente nach nur 20 Beitragsjahren.

Trotzdem ist der Lohn wegen des jetzigen Entgeltsystems zu niedrig, deswegen braucht es Reformen.

        Und was tun Sie, um das Entgelt in Werkstätten für behinderte Menschen zu erhöhen?

Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen sollten ein Entgelt wenigstens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns erhalten. Das ist mit dem jetzigen Entgeltsystem in den Werkstätten nicht möglich; zuerst ist eine Neustrukturierung der Werkstattentgelte und der sonstigen Ansprüche auf Sozialleistungen notwendig. Es muss auch möglich sein, mehr als den Mindestlohn zu verdienen. Dies muss dann auch für Beschäftigte gelten, die auf dem ersten Arbeitsmarkt mit dem Budget für Arbeit tätig sind. Das Budget für Arbeit soll zudem umstrukturiert werden und für Werkstatt-Beschäftigte geöffnet werden.

  1. Was tun Sie, um die Anerkennung der Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen in der Gesellschaft zu erhöhen?

Die Beschäftigten in den Werkstätten leisten wertvolle und gute Arbeit, das habe ich bei Werkstatt-Besuchen mehrfach selbst erleben können. Mit meiner Arbeit als Abgeordneter habe ich mich für die Sichtbarkeit der Anliegen von Menschen mit Behinderung und speziell für die Verbesserung der Arbeitsbedingung in den Werkstätten eingesetzt

 

Wilfried Oellers, MdB, CDU

  1. Wie schützen Sie uns (Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen), sichern unsere Existenz und unsere Arbeitsplätze?

Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind für uns als Union und für mich persönlich ein fester Bestandteil eines inklusiven Arbeitsmarkts. Denn bei allem Bemühen, möglichst viele Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, ist klar, dass es auch immer Menschen mit Behinderungen geben wird, die den Schritt auf den ersten Arbeitsmarkt nicht gehen können oder auch nicht wollen. Auch diese Menschen sind Teil des inklusiven Arbeitsmarkts. Das christliche Menschenbild, das Grundlage unserer Politik als CDU/CSU ist, besagt: Jeder Mensch ist einzigartig. Jede und Jeder bringt auf dem inklusiven Arbeitsmarkt individuelle Fähigkeiten mit, die optimal gefördert werden müssen. Sowohl was die Durchlässigkeit des Weges in die, aber auch aus der Werkstatt angeht, muss stets das Wunsch- und Wahlrecht gelten. Werkstätten müssen daher auch weiterhin rentabel arbeiten, Arbeitsplätze, aber auch Rehabilitationsangebote bereitstellen können. Deshalb ist es so wichtig, dass wir für die Dauerbaustelle Werkstattentgelt endlich eine Lösung finden. Die Werkstätten müssen die Auszahlung der Löhne auch weiterhin wirtschaftlich stemmen können. Und für absolut kontraproduktiv halte ich die vom Bundesarbeitsministerium erwogene Streichung der Anrechnungsmöglichkeit auf die Ausgleichsabgabe für Unternehmen. Denn sie würde nicht nur zu weniger Aufträgen an die WfbM führen, sondern auch deren Arbeitsergebnis senken, was wiederum dazu führt, dass WfbM weniger Werkstattentgelt auszahlen können.

  1. Wie fördern Sie die Eingliederung behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt?

Klar ist: Wir müssen bei der Förderung von Übergängen von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt besser werden. Unter den letzten unionsgeführten Bundesregierungen sind insbesondere mit der Unterstützten Beschäftigung, dem Budget für Arbeit und dem Budget für Ausbildung viele Instrumente geschaffen worden, um Werkstattbeschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Nimmt man noch die Möglichkeit von Außenarbeitsplätzen für Werkstattbeschäftigte mit hinzu, ist der Werkzeugkasten also gut gefüllt. Wir brauchen keine neuen Instrumente. Es stellt sich aber die Frage, wie man diese Instrumente noch besser miteinander verzahnen und unbürokratischer ausrichten kann, damit sie einen besseren Beitrag für die Durchlässigkeit von der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt leisten können. Weiterhin sollte es keinen Automatismus geben, der von der Förderschule in die Werkstatt führt. Daher sollte es schon zum Ende der Schulzeit eine Teilhabeplanung geben, die konkrete Integrationsperspektiven für den ersten Arbeitsmarkt als Alternative zur Werkstatt aufweist. Die Prüfung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sollte zukünftig Vorrang vor der Zuweisung in den Berufsbildungsbereich der WfbM haben. Gleichzeitig sollte man aber auch das Eingangsverfahren durch eine Verlängerungsoption auf sechs Monate und den Berufsbildungsbereich durch eine Verlängerungsoption auf 36 Monate, dann die Möglichkeit von Teilqualifikationen und das Angebot bundeseinheitlicher Bildungszertifikate stärker auf den ersten Arbeitsmarkt ausrichten. Außerdem plädiere ich für eine Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten des Budgets für Arbeit insbesondere durch Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung. Und bei einem Wechsel auf den ersten Arbeitsmarkt sollten Werkstattbeschäftigte den ihnen zustehenden Nachteilsausgleich bei der Rente mitnehmen können. Für wichtig halte ich es auch, das schon gesetzlich geregelte Jobcoaching als personenbezogenes Instrument einer kontinuierlichen Beratung und Begleitung von WfbM-Beschäftigten von der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt in der Praxis zu stärken und bekannter zu machen.

  1. Warum erhalten Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen weniger Entgelt als andere Arbeitnehmer*innen? Und was tun Sie, um das Entgelt in Werkstätten für behinderte Menschen zu erhöhen?

Das Thema Werkstattentgelt beschäftigt mich als Behinderten- beziehungsweise Teilhabebeauftragter unserer Fraktion nun schon seit 2019. Damals hatten wir mit einer Gesetzesnovelle entsprechend der damaligen BAföG-Erhöhung die Bundesausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld erhöht. Aufgrund einer Kopplungsnorm im Sozialgesetzbuch IX steigt damit das von den Werkstätten aus ihrem Arbeitsergebnis zu finanzierende Werkstattentgelt dann aber auch automatisch mit. Im letzten Sommer gab es wieder eine BAföG-Erhöhung. Wie schon 2019 trat auch diesmal das Problem zutage, dass viele Werkstätten wirtschaftlich damit überfordert waren, den erhöhten Grundbetrag des Werkstattentgelts, insbesondere aber den Steigerungsbetrag für besonders leistungsfähige Werkstattbeschäftigte, auch zu finanzieren. Das führte dann aus wirtschaftlichen Gründen faktisch zu Entgeltkürzungen bei den Beschäftigten. Und aufgrund von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und in dessen Folge hohen Energiekosten hat sich die wirtschaftliche Lage für viele Werkstätten zwischenzeitlich noch verschärft. Ich schlage deshalb einen anderen Weg vor:

Das staatlich finanzierte Arbeitsförderungsgeld, das Werkstattbeschäftigte schon jetzt neben dem Grund- und Steigerungsbetrag – übrigens ohne Anrechnung auf Sozialleistungen – erhalten, sollte als stabile Größe des Werkstattlohns gestärkt werden und daher zukünftig auch einen anderen Namen erhalten, z.B. Werkstattgeld. Steigen das staatlich finanzierte BAföG und Ausbildungsgeld, sollte diese Erhöhung auf das staatlich finanzierte Arbeitsförderungsgeld erfolgen und nicht mehr von den Werkstätten erwirtschaftet und finanziert werden müssen. Zusätzlich könnte ich mir vorstellen, das Arbeitsförderungsgeld noch um einen pauschalen Betrag einmalig zu erhöhen. Weiterhin sollte es keine Deckelung mehr geben, wenn der bisherige Grund-/Steigerungsbetrag und das bisherige Arbeitsförderungsgeld zusammen den Betrag von 351 Euro überschreiten. Die Werkstätten wiederum sollen mehr Spielraum erhalten, für leistungsstarke Beschäftigte die Entgelte zu erhöhen. Im Übrigen sollte es einheitliche „Lohnabrechnungen“ geben, in denen alle Lohnbestandteile ausgewiesen werden, um für mehr Transparenz zu sorgen. Im Ergebnis hätten die Werkstattbeschäftigten mehr Geld in der Tasche. Gleichzeitig bleiben den Werkstattbeschäftigten sämtliche Schutzrechte und Nachteilsausgleiche erhalten, was bei Zahlung eines Mindestlohns, der sich an den Bedingungen des ersten Arbeitsmarkts orientiert, wiederum schwierig wäre. Und es würde weiterhin auch finanzielle Anreize geben, auf den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln.

  1. Was tun Sie, um die Anerkennung der Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen in der Gesellschaft zu erhöhen?

Ganz wichtig sind wechselseitige Begegnungen. Ich selbst habe zum Beispiel schon mehrmals bei der Veranstaltung „Schichtwechsel“ mitgemacht, bei der man für einen Tag in den Werkstattalltag eintauchen kann und umgekehrt Werkstattbeschäftigte meinen Politikeralltag kennenlernen. Werkstätten sollten zudem stärker mit Berufsbildungswerken und Unternehmen auf regionaler Ebene kooperieren, um Übergänge in betriebliche Ausbildungsverhältnisse bzw. den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Schließlich sollten Werkstätten und ihre Beschäftigten viel stärker im Sozialraum sichtbar werden. Ich denke zum Beispiel an Weihnachtsmärkte oder Stadtfeste, wo sich WfbM mit ihren Beschäftigten und Produkten präsentieren können. Alle diese Begegnungen können dazu beitragen, Vorurteile abzubauen.

Sören Pellmann (Die Linke)

Als behindertenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag habe ich mich immer wieder im Bundestag sowie bei meinen Gesprächen in Unternehmen und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) für die Umsetzung von Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention und einen inklusiven Arbeitsmarkt engagiert.

Ich weiß, welche große Bedeutung die Werkstätten für die Wirtschaft, aber vor allem für die dort beschäftigten Menschen haben. Ich habe Hochachtung vor der Arbeit der USE, die weit über die Grenzen von Berlin und Brandenburg hinaus einen sehr guten Ruf hat und auch mit Vertretern der Linken im Bundestag und in Berlin seit vielen Jahren eng und freundschaftlich zusammenarbeitet. Natürlich verfolge ich auch sehr aufmerksam die Diskussion in den Werkstätten und Behindertenorganisationen über die Zukunft der Werkstätten und die Frage, wie man die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten verbessern kann. Wir wollen die Werkstätten nicht abschaffen, sondern zu Integrationsbetrieben weiterentwickeln.

Als Belege für meine Positionen verweise ich u.a. auf den Antrag „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen ermöglichen und sichern“ vom 25.11.2020 (Drs. 19/24690), der am 22.04.2021 von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP bei Enthaltung der Grünen abgelehnt wurde, und den Antrag „Mehr Schritte hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt“ vom 28.02.2023, der am 20.04.2023 von allen anderen Fraktionen im Bundestag abgelehnt wurde. Wenn Sie die darin enthaltenen Forderungen mit Ihren Fragen und Forderungen vergleichen, werden Sie viele Übereinstimmungen feststellen.

Im Wahlprogramm der Linken für die Bundestagswahl am 23. Februar steht u.a., dass wir die Arbeitswelt inklusiv machen und die „Schwerbehindertenquote“ auf sechs Prozent anheben wollen und aus dieser Pflicht sollen sich Betriebe auch nicht herauskaufen können. Wir wollen Inklusionsbetriebe besser fördern und den Mindestlohn (von 15 Euro/Stunde) auch für die Beschäftigten in den WfbM. Als Anlage sende ich Ihnen unser Wahlprogramm in verschiedenen Formaten mit.

Ich kann Ihnen versichern, auch nach der Bundestagswahl Ihr Verbündeter im Kampf für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu sein.